Leben

Der Mensch, eine Annäherung

Der Mensch ...   Biografie

Selbstbildnis an der Staffelei (1907)

Selbstbildnis mit gelbem Hut (1943)


... zwischen den beiden Bildern liegt eine Zeitspanne von 36 Jahren. Noch immer scheint der Blick fest in die Zukunft gerichtet. 
Doch spiegelt sich in den Augen des späteren Selbstportraits das Erlebte, die harte Konfrontation mit der Realität wider. 
Die Bestimmtheit des Ausdrucks, das Wissen um die eigenen künstlerischen Ziele, des aufrecht über die Schulter blickenden jungen Mannes, ist Vergangenheit. Vieles ist inzwischen geschehen. 
Die Internierung in einem französischen Lager während des ersten Weltkriegs, die Schrecken des Zweiten, der immer noch andauerte. Dazwischen die dunkle Episode des nationalsozialistischen Kultur- und Rassenwahns, der Herrschaft der braunen Machthaber, die ihn seines Amtes enthoben und ihn mit Austellungsverbot belegen.

Dies alles eingebettet in die Polarität seines künstlerischen und emotionalen Erlebens, der Sehnsucht nach Schönheit, dem Streben nach dem klassischen Ideal und der Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit der Welt.

Hofers Persönlichkeit war von Gegensätzen geprägt. Selbstsicherheit und Verletzlichkeit, Eigensinn und der Wunsch nach Anerkennung, Nüchternheit und gesteigerte Empfindsamkeit kennzeichneten ihn und sein Auftreten. Ausgeprägt war das Vertrauen in die Bedeutung seiner Person und seiner Kunst, gepaart mit dem Willen, sich gegen Widerstände durchzusetzen. Die Wurzeln dieses Dranges zur Selbstbehauptung lagen in der Jugend des Malers. Der Vater war kurz nach der Geburt des Sohnes verstorben, und da sich die Mutter selbst um ihren Lebensunterhalt bemühen musste, wurde der Junge bei Tanten in der Karlsruher Waldstraße untergebracht. Als diese nicht mehr in der Lage waren, ihn zu versorgen, kam er ins Waisenhaus. 

Aus seinen Briefen und Texten tritt uns ein Mensch mit regem und wachem Geist entgegen: vom Leben der Illusionen beraubt und doch im Inneren an eine Vision gebunden.
Hofer hatte einen starken Charakter, aufrecht und den eigenen Ansichten verpflichtet. Entschieden, energisch und eben sensibel zugleich. Ein Seismograph der eigenen Befindlichkeiten im Inneren und der zukünftigen Ereignisse draußen in der Welt. Immer wieder wurde er schmerzlich mit der Existenz einer unbarmherzigen Wirklichkeit konfrontiert, die ihn dennoch nicht in eine passive Lethargie führte. 

Sein Werk, vor allem die Malerei, war ihm wichtig und bestimmte sein Leben. Eine Haltung, die sicherlich nicht ohne Folgen für seine menschlichen Beziehungen blieb. 
Gegenüber seinem Mäzen Theodor Reinhart, von dem er finanziell abhängig war, wies Hofer jegliche Einmischung zurück und behauptete energisch seine geistige und künstlerische Selbständigkeit. 

Karl Hofer scheute nicht den Konflikt. Wo er Fehlentwicklungen bemerkte, seine Unabhängigkeit oder die Kunst bedroht sah, meldete er sich zu Wort. Er sagte seine Meinung offen und teilweise ziemlich dezidiert. Ein Verhalten, das manchmal durchaus auch einen Hauch von Naivität besaß. Lief er doch dadurch Gefahr, zwischen die Fronten zu geraten. So geschehen etwa in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg. Die damalige Atmosphäre war geprägt von politischer Polarisierung und Misstrauen: von der Ost- West Konfrontation und nicht zuletzt, kulturell betrachtet, vom Richtungsstreit in der bildenden Kunst. Befürworter des abstrakten Weges hatten Hofer, den exponierten Vertreter der realistischen Kunst, als vermeintlichen Gegner der Abstraktion ausgemacht.

Darüber hinaus brachte ihn seine unvoreingenommene und pragmatische Art, mit den gesellschaftspolitischen Realitäten umzugehen, in Schwierigkeiten. Ob es nun um die Annahme von Hilfspaketen ging oder etwa um eine Unterschrift. „Für den Frieden unterschreibe ich immer! [...] Das ist doch egal, ob das nun die Kommunisten schreiben oder wer auch immer, Hauptsache, es ist für den Frieden“, hatte er sich geäußert. Diese Haltung brachte ihm gar den Vorwurf der kommunistischen Propaganda ein.
Hofer ließ sich nicht für irgendeine Seite vereinnahmen. Denn politisch im konkreten Sinne war er eigentlich nicht, obwohl er z.B. nicht vor einer Auseinandersetzung mit den Nationalsozialisten zurückgeschreckt war. 

Am beindruckendsten an Karl Hofer ist ohne Zweifel die Beharrlichkeit, mit der er seine Ziele vor allem auch in künstlerischer Hinsicht verfolgt hat. Er blieb sich treu und glaubte fest an seinen ureignen Weg, den nur er gehen konnte.

Aber wie war er wirklich dieser Karl Hofer? Lassen wir zum Schluss einen Menschen zu Wort kommen, der ihn gekannt hat: „Hofer war ein ‚Herr‘....”,äußerte sich seine Schwiegertochter Elisabeth Hofer-Richold 1989 in einem Interview über ihn. Eine Bezeichnung, die heutzutage kaum jemand mehr zu verwenden scheint und die doch, oder gerade deshalb, als eine besondere Auszeichnung einer Persönlichkeit gelten kann.